Die Schweigepflicht des Mediators vor Gericht - eine Selbstverständlichkeit?
Es liegt nahe, anzunehmen, dass der Mediator sich vor Gericht nicht zu den im Rahmen der Mediation bekannt gewordenen Sachverhalten äußern darf, insbesondere wenn es nach einem Vergleich zu einer Klage kommt. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, wie ein kürzlich ergangener Beschluss des Berufungsgerichts (norwegisch: „Lagmannsrett“) Gulating zeigt.
In Zivilprozessen gilt grundsätzlich, dass die Parteien innerhalb bestimmter Grenzen alle Beweise vorlegen können, die sie wünschen. Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen im norwegischen Gesetz über die Mediation und Zivilprozessordnung (norwegisch: „Tvisteloven“, im Folgenden: „norwegische Zivilprozessordnung“) begründet sein. Es reicht nicht aus, lediglich eine Verschwiegenheitspflicht und ein Beweisverwertungsverbot zu vereinbaren.
Die norwegische Zivilprozessordnung sieht eine solche Ausnahme für Mediatoren in der gerichtlichen Mediation vor, das heißt, einer Mediation, die unter der Schirmherrschaft des Gerichts durchgeführt wird. Gerichtsmediatoren dürfen nicht offenlegen, was während der gerichtlichen Mediation stattgefunden hat. Dennoch ist es dem Mediator gestattet, offenzulegen, ob eine Vereinbarung mit dem übereinstimmt, was die Parteien während der gerichtlichen Mediation vereinbart haben.
Für Mediatoren in einer außergerichtlichen Mediation gelten die Verschwiegenheitspflicht und das Beweisverwertungsverbot in der Regel nicht, selbst wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Um durch die Regeln der norwegischen Zivilprozessordnung für die gerichtliche Mediation, einschließlich der Bestimmungen zum Beweisverwertungsverbot, geschützt zu sein, ist gemäß § 7-1 der norwegischen Zivilprozessordnung eine schriftliche Vereinbarung erforderlich, die festlegt, dass diese Regeln auch für die außergerichtliche Mediation Anwendung finden.
Auf den ersten Blick scheint dies einfach zu sein, doch in der Praxis ist es nicht immer der Fall. Im bereits erwähnten Beschluss des Berufungsgerichts Gulating stand die Schweigepflicht des Mediators vor Gericht im Mittelpunkt. Was hatten die Parteien tatsächlich vereinbart?
Im Falle einer außergerichtlichen Mediation sollte eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden, die festlegt, ob die Regeln der norwegischen Zivilprozessordnung für die außergerichtliche Mediation gelten
Hilde Lund, Partnerin bei SANDS
Sachverhalt in Kürze: Die Parteien hatten eine Mediationsvereinbarung getroffen, die festlegte, dass der Mediator (ein Rechtsanwalt) alle Informationen vertraulich behandeln muss (Verschwiegenheitspflicht). Zudem war es den Parteien untersagt, alle während der Mediation erlangten Informationen, einschließlich Verhandlungen, Erklärungen oder Aussagen, in einem nachfolgenden streitigen Verfahren als Beweismittel zu verwenden (Beweisverwertungsverbot). Die norwegische Zivilprozessordnung wurde in der Vereinbarung jedoch nicht erwähnt.
Während des Mediationsverfahrens wurde ein Vergleich geschlossen, dessen Inhalt später zu Streitigkeiten zwischen den Parteien führte.
Im anschließenden streitigen Verfahren wollte A den Mediator als Zeugen benennen, was B unter Hinweis auf das Beweisverwertungsverbot der norwegischen Zivilprozessordnung ablehnte. Sowohl das erstinstanzliche Gericht (norwegisch: „Tingrett“) als auch das Berufungsgericht entschieden, dass die Beweisverwertungsvorschriften der norwegischen Zivilprozessordnung gelten, selbst wenn dies nicht schriftlich vereinbart wurde. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist das Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung nicht absolut, jedoch sind erhebliche Gründe erforderlich, um Ausnahmen zuzulassen.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann der Mediator daher nicht als Zeuge für die während der Mediation erlangten Informationen benannt werden. Er darf jedoch im Einklang mit der norwegischen Zivilprozessordnung offenlegen, ob die Vergleichsvereinbarung mit dem übereinstimmt, was die Parteien während der gerichtlichen Mediation vereinbart haben. Das Berufungsgericht hat dies dahingehend präzisiert, dass der Mediator „sich unter anderem zum Inhalt des Angebots, das zur Vereinbarung geführt hat, sowie zu dessen Übermittlung und Annahme äußern kann“. Er darf jedoch nicht dazu Stellung nehmen, was nach seiner Meinung das "tatsächliche Verständnis" der Parteien von dem angenommenen Angebot ist.
Gegen den Beschluss wurde beim norwegischen Obersten Gerichtshof (norwegisch: „Høyesterett“) umfassend Beschwerde eingelegt, und das Hauptverfahren wurde bis zur abschließenden Entscheidung über die Verfahrensfragen ausgesetzt. Der norwegische Oberste Gerichtshof sollte diese Gelegenheit nutzen, um klarzustellen, wie das Erfordernis der schriftlichen Vereinbarung zu verstehen und anzuwenden ist. Idealerweise sollte er auch näher präzisieren, welche Aspekte der Mediator in jedem Fall offenlegen darf.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens empfehlen wir, sich der Problematik bewusst zu sein und der Mediationsvereinbarung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies hilft, unnötige Überraschungen und kostspielige Prozesse aufgrund von Verfahrensstreitigkeiten zu vermeiden.
Der Beschluss ist hier verfügbar.
Co-Autor des Artikels ist Partnerin | Rechtsanwältin Simone Häderle Ingeberg.
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